Wenn Liebe weh tut
Vom erfahrenen Trauma zum re-inszenierten Beziehungstrauma

Vom Kindheits- zum Beziehungstrauma

Ein Trauma ist immer eine Form der Verletzung, welche auf einer körperlichen und/oder psychischen Ebene stattfindet.

Bei manchen kommt es aufgrund von Gegebenheiten, äußeren Umständen oder fremden Personen zu einer Traumatisierung. Beispiele sind Kriegserfahrungen, Naturkatastrophen, Unfälle, Vergewaltigung, schwere körperliche Erkrankungen.
 
Doch bei einigen Menschen passiert die Traumatisierung nicht aufgrund von Umständen oder außerhalb sondern in der Familie. Dies sind Kinder, die in nahen Beziehungen emotional vernachlässigt, körperlich oder sexuell misshandelt werden.

Ein Trauma, das von nahen Bezugspersonen verursacht wird, hat schlimmere Auswirkungen als ein Trauma, das durch fremde Personen ausgelöst wird. Denn zusätzlich zur traumatischen Erfahrung geschieht eine massive Verletzung auf der Beziehungsebene. Der Täter gehört ja zu jenem Personenkreis, der dass Kinder eigentlich schützen, ihm Sicherheit, Geborgenheit und Halt geben sollte.

Dabei ist der Schutz durch die eigene Familie so wichtig für unsere Entwicklung. Es ist die Quelle unseres Sicherheitsempfindens und die Ausgangsbasis für unsere weitere Entfaltung. Es ist die Basis für das Urvertrauen, aus der sich eine innere Selbstsicherheit so wie eine Offenheit für Beziehungen und die Welt ergeben. Finden in nahen Beziehungen schwere Traumatisierungen statt, sind all diese Bereiche beeinträchtigt.  Die Bezugsperson bot keinen ausreichend sicheren Hafen, um eine gute Entwicklung starten zu können. Statt eine Quelle des Schutzes und der Sicherheit wurde sie zu einer Quelle des Schmerzes und Leidens.

Zu glauben, dass solche kindlichen Traumatisierungen keine Auswirkung auf die spätere Beziehungsfähigkeit und die daraus resultierende Beziehungsgestaltung haben, wäre fatal. Frühe traumatische Erfahrungen in nahen Beziehungen haben massive Auswirkungen auf die späteren Beziehungen dieses Menschen.

Wird das kindliche Trauma nicht aufgearbeitet, ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass sich die frühe Beziehungstraumatisierung in gewisser Form in späteren Beziehungen wiederholt.

Dann tut Liebe weh und es entstehen erneut Traumatisierungen in Beziehungen.

Beispiele über mögliche Auswirkungen

Ein paar Beispiele über mögliche Auswirkungen von traumatisierenden Kindheitserfahrungen auf spätere Beziehungen

Herr A. verprügelte und missbrauchte regelmäßig seine Frau. Ihr soziales Umfeld wusste längst davon. Anfangs versuchten Familienmitglieder und Freunde noch die Frau zu schützen. Sie legten ihr nahe zu gehen, meinten sie würden schon für sie sorgen. Anstatt zu gehen verteidigte die Frau ihren Mann. „Im Grunde ist er ja ein netter Mann und ein fürsorglicher Vater“. Damit die Situation nicht ständig eskalierte, bemühte sich die Frau wenig Anlass für Streit zu schaffen. Sie bat die anderen zu schweigen, sie nicht noch mehr in Schwierigkeiten zu bringen, indem diese ihren Mann mit seinem Verhalten konfrontieren. Das Umfeld verstand zunehmend weniger, wieso sie sich das gefallen ließ und zog sich zunehmend zurück.

Aber nicht nur Männer können gewalttätig werden. Frau D. lebte intensive Beziehungen zu ihren Männern. Sie konnte eine liebevolle und aufopfernde Partnerin sein, die alles für den Mann tat und sich selbst völlig zurück nahm. Doch sie konnte auch anders. Immer wieder kam es zu einer plötzlichen Eskalation, wo sie den Partner verbal und körperlich attackierte. Sie schlug so lange schreiend auf ihn ein, bis er aus dem Raum oder der Wohnung flüchtete. Manchmal warf sie ihn sogar aus der Wohnung. Zog sich der Mann allerdings zurück, kippte ihre Wut und sie wurde zu einem „heulenden Etwas“. Sie lief ihm nach, flehte ihn an ihr zu verzeihen und zurück zu kommen. Sie würde sich bessern, sie würde alles tun - bis zum nächsten Mal.
 
Dies sind Beispiele für die Weitergabe von körperlichen und sexuellen Traumatisierungen in der Beziehung. Wird das Trauma nicht aufgelöst, wird es weitergegeben. Die frühkindliche Traumatisierung kann auch auf emotionaler Ebene weitergereicht werden. Solche Traumatisierungen wirken in das emotionale Empfinden des Partners ein.

Frau S. liebte ihren Freund, doch was sie in der Beziehung mit ihm erlebte war für sie nicht nachvollziehbar und verstehbar. Noch nie hatte sie einen Mann kennen gelernt, wo so viel Nähe und Zuneigung möglich war. Sie fühlte sich ihm unsagbar nahe und vertraut. Umso schlimmer und unvorstellbarer war der Bruch, der folgte. Zuerst war da innige Nähe und Verbundenheit, doch irgendwann war er nicht mehr erreichbar und meldete sich nicht mehr. Er verschwand aus ihrem Leben als wäre nie etwas zwischen ihnen gewesen. 
Sie kannte sich nicht aus. Ihr Verstand ratterte: Hatte sie was falsch gemacht?
Immer wieder ließ sie die letzte Begegnung Revue passieren. „Was hatte sie verpasst? War etwas vorgefallen, das sie ignoriert hatte?“ Wie intensiv sie auch analysierte und nachdachte, sie konnte einfach keine Erklärung für sein Verhalten finden. Nach einiger Zeit kam er reumütig und um Verzeihung bittend zurück. Er übernahm die alleinige Verantwortung für sein Verhalten und schien wirklich einsichtig zu sein. Sie gab ihm noch eine Chance, ohne zu ahnen, dass sich das Drama bald wiederholen würde. Er eroberte sie zurück und sie vertraute ihm erneut. Doch seine Einsicht änderte nichts an seinem Verhalten. Abermals verschwand er nach kurzer Zeit.  Der Beziehungsabbruch war extrem schmerzhaft für Frau S. Sie konnte nicht verstehen, dass der Mann der ihr laufend beteuerte, dass er sie über alles liebte, sich ihr gegenüber so verletzend verhalten konnte. Doch sie liebte ihn und nahm ihn das nächste Mal wieder voller Hoffnung auf. Aber jedes Mal wurde die Liebe ein bisschen weniger. Obwohl sie extrem litt, erzählte sie ihrem Freundeskreis schon lange nichts mehr. Wer würde sie denn noch verstehen?  Alle rieten ihr dazu, diesen Mann in die Wüste zu schicken, aber sie konnte einfach nicht.
In dieser Beziehung verschwindet der Mann plötzlich real aus dem Leben der Frau und lässt sie alleine und im Ungewissen stehen. Es kommt zu einem vollständigen Beziehungsabbruch. Nicht immer müssen Kontaktabbrüche so massiv sein, dass der andere wirklich völlig aus dem Leben verschwindet. Aber auch wenn der Partner innerlich abwesend ist, bleiben wir allein zurück und werden aus der Beziehung geworfen.

Scheinbar hatte Herr H. seine Partnerin wohl gerade verletzt. Er hatte aber keine Ahnung was er ihr angetan hatte oder was los war. Immer wieder versuchte Herr H. auf sie zuzugehen, mit ihr zu reden. Doch sie war völlig unnahbar und kalt. Ihr Blick schien ihn nicht wahrzunehmen. In solchen Momenten war sie ihm völlig fremd. Was auch immer er versuchte, er konnte sie nicht erreichen. Nach einiger Zeit kam sie aus diesem Zustand wieder heraus und erst dann gelang es ihm wieder in Kontakt mit ihr kommen. Solche Situationen wiederholten sich. Sie machten ihn völlig ohnmächtig und verunsicherten ihn. Er begann sich ebenfalls zu schützen und sich emotional zunehmend zu distanzieren.

Warum verletzt man sich in Beziehungen?

Warum verhalten sich erwachsene Menschen so dermaßen verletzend in Beziehungen?

Nicht jede Verletzung in der Beziehung muss gleich so dramatisch und traumatisch sein. Oftmals geschehen kleinere Verletzungen einfach aus einer Aggression oder Kränkung heraus, die jedoch noch keine traumatisierende Wirkung in der Beziehung entfalten.

Wie in der Herkunftsfamilie so ist auch die partnerschaftliche Beziehung bestenfalls ein Ort des Vertrauens und der Sicherheit. Natürlich auch mit Konflikten, die sich ergeben, aber lösbar sind. Doch wenn man von Anfang an keine „heile Beziehungserfahrung“ erleben durfte, entwickelt man im Beziehungsbereich Defizite. Dabei kann die Kindheitsgeschichte nicht eins zu eins ins Erwachsenenleben übertragen werden. Denn neben den familiären Bezugspersonen gibt es noch Freunde, Lehrer, Verwandte, Tiere, Natur, usw. wo wir auch positive Beziehungserfahrungen machen können und eine Erweiterung unseres Beziehungsbildes möglich wird.

In den genannten Beispielen finden wir beim Verursacher jedoch in der Kindheit eine schwere Verletzung oder Traumatisierung durch eine nahestehenden Bezugsperson wieder. Diese Aussage dient zur Erklärung, heißt dieses Verhalten aber nicht gut.

Ihre Beziehungsgestaltung gleicht einer Wiederholung der frühkindlichen Trauma-Situation. In der ursprünglichen Ausgangssituation hat eine geliebte Bezugsperson dem Kind massive Verwundungen und Verletzungen zugefügt.

Man muss verstehen, dass ein Mensch, der in seiner Kindheit von einer nahen Bezugsperson traumatisiert wurde, nicht nur diese eine Traumatisierung erlitten hat (wie körperlicher, emotionaler oder sexueller Missbrauch). Die Traumatisierung geht tiefer. Sie hat in einer nahen Beziehung stattgefunden und damit zu einer generellen Beziehungstraumatisierung geführt.

Es ist etwas anderes, wenn ein Trauma außerhalb der Familie passiert und das Kind dann in eine heile Familie zurückkehren kann. Dort Sicherheit, Geborgenheit und Trost erfährt. Es kann das Trauma aufarbeiten. Lernt dass Beziehungen dennoch sicher sein und Schutz geben können.

Doch wenn die schutzgebende und tröstende Person zum Täter wird, findet keine Aufarbeitung oder Entlastung statt. Genau dort, wo das Kind sicher sein sollte, da ist der Täter oder Feind.

Ein Kind kann nicht ohne eine „gute innere Welt“ überleben. Also muss es das „Böse“, das in Wahrheit geschieht, abspalten. Wie könnte es sich sonst mit diesem/dieser „furchtbaren Täterperson“ psychisch weiter entwickeln. Es würde verrückt werden. Das gute Bild würde von den Grausamkeiten der schlechten Erfahrungen völlig zerstört werden. Damit wäre das Überleben des Kindes gefährdet.

So entsteht ein innerer Raum für die guten Erinnerungen, wo alles gut ist, so wie ein Platz für die schlechten Erinnerungen, wo alles schlecht ist. Es bauen sich zwei getrennte innere Erfahrungswelten auf, die meist wenig bis keine bewusste Verbindung zueinander besitzen. Dies ist die Basis für eine spätere gut und böse Trennung oder Opfer- und Täterkonstellation.

In den Paarbeziehungen werden unsere früheren Beziehungserfahrungen erneut aktiviert.  In diesem Fall wiederholt das „traumatisierte Kind im Erwachsenen“ seine frühen Beziehungserfahrungen  in der aktuellen Beziehung.

Nur dieses Mal wird es selbst zum Verursacher und/oder Gestalter des „kindlich  erfahrenen Leidens“. Der Partner bekommt den erlebten Schmerz zu spüren. Psychisch betrachtet ist diese Re-Inszenierung, ein Versuch, das erlebte Trauma aufzuarbeiten und zu integrieren.

In der Realität findet jedoch leider häufig keine Integration statt sondern nur eine Stagnation und stete Trauma-Wiederholung, welche beide Seiten zunehmend verletzt und zu keiner Lösung führt.

Warum man trotzdem durchhält?

Wieso halten Menschen solche massiven Verletzungen in ihren "Liebes"-Beziehungen aus?


Für die meisten Menschen ist verstehbar, dass sich ein Kind bei wiederholenden Verletzungen nicht wehren kann. Es kann nicht einfach gehen und seine Familie, die es zum überleben braucht, verlassen.

Aber wenn solche Verletzungen in erwachsenen Beziehungen passieren, hört das Verständnis bald auf. Anfangs finden diese Menschen zwar noch ein Verständnis im Umfeld, mit der Zeit nimmt dies jedoch immer mehr ab. Von außen betrachtet ist es nicht nachvollziehbar, warum jemand, der erwachsen ist, in einer verletzenden oder gar zerstörerischen Beziehung bleibt. Man ist nicht mehr existenziell abhängig wie ein kleines Kind. Warum geht dieser Mensch nicht einfach?

Dazu müssen wir verstehen was in solchen Beziehungen passiert, ohne den jeweiligen Opfern die völlige Schuld für ihr Verhalten zu geben. Wenn jemand nicht geht, muss es auch einen Grund dafür geben.

Die bisherige Erfahrung in der Praxis zeigt, dass die Partner häufig eine eigene Geschichte des psychischen Schmerzes haben. Vorwiegend Erfahrungen des eigenen Ungeliebtseins und der Verlassenheit. Dies führt dazu, dass ähnliche Signale in späteren Beziehungen häufig nicht erkannt und teilweise sogar ausgeblendet werden.

In der nahen Beziehung werden die frühkindlichen Erfahrungen erneut aktiviert. Dabei zeichnet sich ein Unterschied ab, denn die traumatischen Erfahrungen werden nicht in allen Beziehungen aktiviert. Traumatisierte Menschen können sehr wohl funktionale Beziehungen eingehen. Primär zu Menschen die ihnen nicht wirklich nahe kommen, wie Bekannte, Freunde, Arbeitskollegen, aber auch Partner wo keine sehr nahe emotionale Bindung vorhanden ist. Erst in emotional nahen Beziehungen, in Liebesbeziehungen, wird die frühe Beziehungstraumatisierung aktiviert. In solchen Partnerschaften passiert folgendes: Es baut sich eine extrem intensive, nahe und vertraute Beziehungsform auf. Erst auf diesem „sicheren Boden“ entfaltet sich die volle Wirkung der Beziehungstraumatisierung. Ohne diesen „sicheren Boden“ kommt es normalerweise nicht so weit.  Jeder Mensch der nicht emotional involviert ist, wird sich bereits bei den ersten verletzenden Tendenzen sehr rasch verabschieden.
Die massive emotionale Bindung in der Beziehung ist bereits der erste Teil der Wiederholung der Trauma-Geschichte. In so einer Beziehung hat das Trauma stattgefunden und dort wiederholt es sich. Durch die emotionale Nähe entkommt der Partner kaum mehr. Wie das traumatisierte Kind ist der Partner jetzt an den Ablauf dieses Geschehens gebunden. Aus so einer intensiven Bindung entkommt man nur schwer. Meist ist dem Partner durchaus klar und zugänglich, dass diese Beziehungsform ungünstig ist. Mental würden sie sofort gehen, aber emotional hängen sie fest. 

Was passiert wenn der Partner Bekanntschaft macht mit der "verletzten und verletzenden Nähe" des anderen? In einer Beziehung, in der wir Liebe, Sicherheit und Geborgenheit erwarten geschieht etwas "nicht vorstellbares, nicht fassbares und nicht verstehbares". Wir werden in einer Form verletzt, welche wir uns nicht vorstellen können und vor allem welche wir nie erwarten würden. Als Partner machen wir die Erfahrung wie zerstörerisch Liebe gelebt werden kann. Denn hier sind wir in einer „verzerrten“ Form der Liebe und Beziehung gelandet. Den frühkindlichen Schmerz des verletzten Menschen bekommt jetzt der Partner in voller Wucht zu spüren. Das, was der „Verletzte selbst nicht spüren kann“, wird in der Beziehung aufgezeigt und spürbar gemacht.

Der „liebende Partner“ als Quelle des Schmerzes

Auswirkungen: Wenn der „eigentlich liebende Partner“ zur Quelle des Schmerzes wird

Ist der andere selbst verletzt, wird die eigene Geschichte ebenfalls aktiviert. Dann begegnen sich zwei verletzte Menschen.

Üblicherweise enthält das innere Wissen über Beziehungen jedoch keine so extrem verletzenden Inhalte wie bei Beziehungstraumatisierten. Solch ein zerstörerisches Verhalten kommt in einer normalen Beziehungsvorstellung nicht vor. Tritt dann eine solche Erfahrung ein,  landet der Mensch in einen Zustand der völligen Fassungslosigkeit. Dies bedeutet, dass die unabsehbare Wucht, mit der dieses unbegreifliche Verhalten eintritt, den Partner anfangs schockt und lähmt. Haben wir niemals solche Erfahrungen gemacht, sind wir auf derartige Situationen in keinster Weise vorbereitet. Deswegen können wir nicht damit umgehen, sind nicht in der Lage, die Situation zu lösen. Auch in späteren Wiederholungen tritt häufig erneut dieser Schockzustand des „Unfassbaren“ auf. Bis wir uns, wie früher das traumatisierte Kind, auch an solche Zustände zu gewöhnen beginnen.

Sich wiederholende traumatische Beziehungserfahrungen rufen im Partner ähnliche Zustände hervor, wie damals im traumatisierten Kind. Nicht nur das Trauma, auch die Trauma-Reaktionen, wiederholen sich. So beginnt der Partner ebenfalls die guten und schlechten Anteile in der Beziehung getrennt zu halten. Würde beides gleichzeitig da sein, würde auch hier „das Schlechte“ die gefühlte Zuneigung völlig zerstören. Meist führt auch hier die „Wortlosigkeit“ über dieses Verhalten zu einem „Schweigen nach außen“. Der Mensch versucht, den negativen Erfahrungen irgendwie zu entkommen, beginnt zeitweise damit auch, die Schuld bei sich zu suchen. Um die Situation auszuhalten „erkalten“ wir emotional, verschließen uns zunehmend vor anderen Menschen, geben die Hoffnung auf, verlieren unser Vertrauen, usw.
Das größte Problem ist, dass die Trauma-Wiederholung nicht nur auf der Seite des Verursachers stattfindet, sondern der Partner ebenfalls in dieser Wiederholungsdynamik gezogen wird. Das erfahrene frühere Beziehungstrauma breitet sich in der jetzigen Beziehung in beiden aus.


Wie wir uns selbst weh tun

Manchmal tun wir uns selbst in der Beziehung weh

Wenn sich jemand in einer Liebesbeziehung extrem verletzend verhält, ist es naheliegend, dass diese Person selbst in ihren ersten Beziehungserfahrungen ziemlich verletzt worden ist.

Eine kindliche Traumatisierung auf der Beziehungsebene hat Auswirkungen auf spätere Beziehungen. In den späteren Beziehungen wird unbewußt auf der Beziehungsebene  eine Opfer-Täter-Konstellation aufgebaut. Der Traumatisierte kann dabei entweder in die Opfer- oder Täterrolle geraten.

Wenn der Partner die Täterrolle bekommt, wird er nicht mit dem erfahrenen Schmerz direkt konfrontiert. Dann fällt der Traumatisierte, wie in der Kindheit, in die Opferposition hinein und durchlebt erneut den vertrauten Schmerz.
 
Im Grunde war Herr F. einfach nur ein netter Kerl. Er hat dies auch immer sein müssen. Seine Mutter war hilflos, schwach und laufend krank. Bereits in seiner Kindheit kümmerte sich Herr F. um sie. Er lernte für den „schwachen Anderen“ alles zu tun . Dabei ging es nie um ihn. Nie wurde er gesehen oder anerkannt oder für sein Tun geliebt. Ohne sich dessen bewusst zu sein, wiederholt Herr F. bis heute sein Verhalten. Mittlerweile jedoch nicht mehr mit seiner Mutter, denn von der hat er sich distanziert. Jetzt sucht er sich hilflose, schwache Partnerinnen, für die er jedes Mal alles tut. Die Geschichte verläuft immer gleich. Anfangs sind die Partnerinnen froh, aber irgendwann sind sie ihm nicht mehr dafür dankbar, dass er ihnen hilft, sondern werden sogar vorwurfsvoll. Da sich nichts verändert, naht das Ende und die Beziehung scheitert.

Die Kindheitserfahrung hat sich wiederholt. Egal wie viel er tut, für ihn wird nichts getan und er wird nicht gesehen oder geschätzt.

Herr F. ist ein Beispiel dafür, dass sich negative kindliche Beziehungserfahrungen nicht nur negativ auf den Partner auswirken und diesem Schmerzen zufügen. Wird die traumatische Beziehungsgestaltung nicht gelöst, werden beide in ihrer Weiterentwicklung behindert.

Die Liebe selbst ist nie verletzend, der Mensch schon. Wenn uns also die Liebe verletzt, ist es günstig, einmal näher hinzuschauen, was da wirklich passiert.  Eine Erklärung für die traumatische Beziehungsdynamik finden Sie im Artikel "Vorborgene Verletzungen".



Ich habe jetzt den Blog Erkenntnisse von der Couch eröffnet. Dort finden Sie weitere interessante Beiträge, wie beispielsweise Vorsicht: Burnoutgefahr! oder die Beitragsserie "Wenn Liebe weh tut". Hier geht es zum ersten Teil dieser Serie: Wenn Liebe weh tut - Bedrohliche Nähe.

©  Mag. Brigitte Fuchs