Panikstörungen

Panikstörungen – wenn wir immer tiefer in das Feld der Angst eintauchen und nicht mehr herauskommen

In H. stieg die nackte Angst auf. Sie wusste nicht, was los war, doch ihr Herz raste. Der Kopf pochte als würde er jeden Moment zerspringen. Immer enger wurde es im Brustkorb und sie bekam kaum noch Luft. Immer schneller begann sie zu atmen, immer weniger Luft schien da zu sein. Schreckliche Gedanken und Bilder stiegen in ihr auf. Sie war sich sicher, irgend etwas Schlimmes bahnte sich an. Was wenn sie nun plötzlich einen Herzinfarkt hätte, oder tot umfallen würde? Jetzt hatte die Angst sie vollends erwischt. Sie nahm ihre Umgebung nur noch schemenhaft wahr. Wie ein Wasserfall ergoss sich die Angst über sie. Alles an ihr schien nur noch Angst zu sein und Angst zu haben. Ihr Körper spielte vollkommen verrückt und ihre Gedanken ebenfalls. Nacktes Grauen stieg in ihr hoch. Sie war wie gelähmt, fühlte sich handlungsunfähig und hatte entsetzliche Panik.

Wenn es real um unser Überleben geht, ist Angst eine normale Reaktion des Menschen. Doch bei manchen Menschen taucht eine Panikattacke auf, ohne dass ihr Leben tatsächlich gefährdet ist. Dennoch fühlt sich ein Panikzustand existenziell und lebensbedrohlich an.

Die Symptome einer Panikattacke (nach DSM IV)

Nach DSM IV ist eine Panikattacke eine klar abgegrenzte Episode mit intensiver Angst und intensivem Unbehagen.

Weitere Symptome sind:
  • Herzklopfen und beschleunigter Herzschlag, Palpitationen (Wahrnehmung des eigenen Herzschlags und Zuschreibung ob er zu schnell, langsam, unregelmäßig etc. ist)
  • Schwitzen
  • Zittern und Beben
  • Gefühl der Kurzatmigkeit oder Atemnot
  • Erstickungsgefühle
  • Schmerzen oder Beklemmungsgefühl in der Brust
  • Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden
  • Schwindel, Unsicherheit, Benommenheit oder der Ohnmacht nahe sein
  • Derealisation (die Umwelt wird als fremd, unwirklich empfunden) oder Depersonalisation (die eigene Person wird als fremd, unwirklich empfunden)
  • Angst die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden
  • Angst zu sterben
  • Taubheit oder Kribbelgefühle
  • Hitzewallungen oder Kälteschauer

Von einer Panikstörung spricht man erst dann, wenn sich solche Panikattacken wiederholen.

Der Mensch baut eine Angst vor weiteren Panikattacken auf. Er entwickelt zunehmend eine Angst vor der Angst. Da die Panik so intensiv erlebt wird,  erscheint die zugrunde liegende Angst bedeutungsvoll. Die körperliche Angst vor einer Herzerkrankung oder einer Ohnmacht, lässt die Vermutung aufkommen, dass tatsächlich ein reale körperliche Erkrankung vorliegt. Um die unbeherrschbare und überwältigende Angst in den Griff zu bekommen, versucht der Mensch häufig, die vermeintlich auslösende Situationen zu vermeiden. Er kann mit der existenziellen Angst nicht umgehen und will sich ihr nicht stellen.

Gründe für eine Panikattacke

Obwohl Panikattacken sehr ähnlich verlaufen, haben sie häufig unterschiedliche Ausgangspunkte.

Allen gemeinsam ist, dass sie einen ersten Einstieg in die Angst bieten.

  • Menschen mit einer Phobie, die bereits eine Angst vor gewissen Dingen oder Situationen haben.
    Die Phobie kann durch konkrete Situationen, wie Fahren im Fahrstuhl, unter einer Brücke durchgehen, sich unter vielen Menschen aufhalten usw. hervorgerufen werden. Es können aber auch weniger konkrete Situationen sein, wie z.B. sich in dunklen Räumen aufhalten. Oft sind auch sehr konkrete Dinge oder Tiere wie Schlangen, Spinnen, Blut, Bakterien etc. Auslöser. Diese Bereiche wurden vom Menschen als extrem einschüchternd und ängstigend abgespeichert. Kommen sie in Kontakt mit solchen Situationen oder Dingen, so kann dies eine Panikattacke hervorrufen.
  • Menschen mit traumatischen Erfahrungen.
    Hier haben Körper und Psyche die traumatische Erinnerung abgespeichert. In ähnlichen Situationen werden oftmals die alten Panikgefühle wieder aktiviert. Bei schweren Traumatisierungen können alte Erinnerungsbilder aktiviert werden. Diese Eindrücke sind nicht kontrollierbar und gehen mit sofortigen massiven Panikzuständen einher. Ein traumatisierter Mensch kann sich kaum von seinen Erinnerungsbildern distanzieren. Es ist für ihn so, als würde sich das vergangene Geschehen gerade aktuell wiederholen und sein Körper und seine Psyche reagieren darauf.  Bei schwer traumatisierten Menschen baut sich die Panikattacke nicht langsam auf. Die Bilder kommen und sie sind sofort mitten in der körperlichen Anspannung und Panik.
  • Körperlich als ängstigend empfundene Phänomene können ebenso zu Auslösern werden.
    Spüren Menschen körperliche Symptome, die ihnen unvertraut sind, können sie dadurch beunruhigt werden. Sie beginnen ihren Körper vermehrt zu beobachten und finden immer mehr Signale, dass da etwas nicht stimmt. Je mehr der Körper in den Vordergrund rückt umso näher kommt das Thema des Todes und sie können in einem Panikzustand landen.
  • Panikattacken können auch durch Medikamente oder Substanzen und deren Missbrauch hervorgerufen werden
  • Eine Zwangsstörung kann sekundär eine Panik hervorrufen.
    Können Menschen ihrem Zwang nicht nachgehen, werden sie unsicher. Solche unsicheren Situationen können ebenfalls einen Zustand der Panik auslösen. Nehmen wir einen Menschen der Angst vor Bakterien oder Blut hat. Kommt er nun damit in Kontakt und hat er keine Möglichkeit, seinen Körper oder seine Kleidung zu reinigen, so befürchtet er die schlimmsten Konsequenzen und Panik kommt auf.
  • Bei belastenden Ereignissen oder Trennungserfahrungen kann es zu Panikattacken kommen.
    Vor allem Kinder oder Erwachsene, die noch keinen eigenen sicheren Boden entwickelt haben, werden von Konflikten oder Trennungen immens aus der Bahn geworfen. Verlässt sie ein wichtiger Mensch, fallen sie ins Bodenlose und Panikgefühle tauchen auf. Bei belastenden Ereignissen, die sich existenziell auf den Menschen auswirken und wo der Mensch keinen Halt mehr findet, kann es ebenfalls zu Panikzuständen kommen.
  • Eine bereits aufgetretene Panikattacke.
    Menschen,  welche die Erfahrung einer Panikattacke machten, neigen dazu eine Angst vor einer weiteren Panikattacke aufzubauen. Zeigen sich dann ähnliche Symptome ist die Gefahr groß wieder in einer Panikattacke zu landen.
  • Panikattacken können jedoch auch ohne ersichtlichen Auslöser oder Grund auftreten.
    Auf einmal beschleicht den Menschen ein komisches Gefühl, die Nackenhaare stellen sich auf. Solche diffuse, nicht wirklich greifbare Empfindungen werden immer stärker und Angst kommt hinzu.  Der Puls rast, das Herz klopft, es wird enger in der Brust und dies wird als Hinweis für eine Bedrohung gesehen. Eine Panik naht.

Der typische Verlauf einer Panikattacke

  • Eine Tür in die Angst beginnt sich zu öffnen.
    Eine Panikattacke beginnt immer mit einer angehenden Angst. Diese kann sehr konkret sein, wie die Angst vor einem drohenden Herzinfarkt oder vor Schlangen. Aber auch vollkommen diffus, wie ein komisches unwohliges Gefühl. Jedenfalls gibt es einen Ausgangspunkt, eine Tür in die Angst, die geöffnet wird.
  • Der Mensch fokussiert auf seine Angst.
    Nachdem ein erstes Angstgefühl vorhanden ist, wird der Mensch selektiv achtsamer. Er versucht die Lage zu checken, seine Angst zu kontrollieren, sie abzuwehren, sich zu beruhigen. Egal was er macht, allen Aktionen ist gemeinsam, dass er seiner Angst immer mehr Raum gibt, sich zusehends an die Angst bindet. Damit verliert er den Zugang zu seiner tatsächlichen Umgebung, seiner momentanen Realität. Über den Verstand versucht der Mensch nun seinem Gefühl der Angst zu entgehen. Doch der Verstand ist ein Teil von uns, der die Situation verschlimmert. Im Denken werden prinzipiell Sorgen und Probleme aufgeworfen. In solchen Momenten beginnt der Mensch häufig vermehrt auf seine körperlichen Empfindungen zu achten. Seinen Herzschlag, seinen Puls, seine Atmung. Irgendetwas scheint komisch zu sein. Sorgenvolle Gedanken bauen sich auf, Gedanken und Bilder, die etwas mit Gefahr zu tun haben.
  • Die erhöhte Aufmerksamkeit und Grundspannung verstärkt oder erzeugt Symptome.
    Aufgrund des Stresses kommt der Mensch in eine größere innere Anspannung. Damit beschleunigt sich automatisch sein Herzschlag, sein Puls, seine Atmung wird flacher, manchmal kommt es zu nervösen Magen-Darm-Beschwerden. Weil es aufgrund der Anspannung im eigenen System enger wird, fühlen sich die vorhandenen körperlichen Sensationen intensiver an. Der Mensch bekommt weniger Luft, Zittern, komische Körpersensationen, Schwächegefühle, Schweiß- oder Kälteausbrüche etc. starten.
  • Diese Symptome werden wiederum negativ gedeutet.
    Spätestens jetzt sind Symptome da und der Mensch engt sich noch mehr in seiner Wahrnehmung ein. Die Symptome rücken vollkommen in den Vordergrund seiner Aufmerksamkeit. Er betrachtet sie als negative Anzeichen. Der Verstand läuft mittlerweile auf Hochtouren. Er interpretiert das Geschehen definitiv als nicht normal, als bedrohlich und ängstigend. Das anfängliche Angstgefühl steigert sich, weil es nun begründet scheint. Der Mensch fühlt eine bedrohliche Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Im weitesten Sinne ist es immer eine Angst zu sterben. Diese Angst vor dem Sterben kann körperlich bezogen sein, aber auch eine Angst vor dem verstandesmäßigen Sterben, dem verrückt werden.
  • Ein sich selbst verstärkender Kreislauf beginnt.
    Alles scheint gefühlsmäßig darauf hinzuweisen, dass eine tatsächliche Gefahr besteht. Der Mensch kann sich von seinen Eindrücken nicht mehr distanzieren. Weil sein Wahrnehmungsfokus nur noch auf die Angst ausgerichtet ist, verliert er die gegenwärtige Realität nun vollkommen aus dem Fokus. Jetzt kann sich der Mensch nicht mehr in der Realität verankern und sich dadurch stabilisieren. Lediglich das aufgebaute Feld der Angst ist ihm noch zugänglich, das immer näher kommt und ihn zu verschlingen droht.
  • Es zieht den Menschen in die Panik hinein.
    Der Mensch kann sich von seinen körperlichen Empfindungen und ängstigenden Gedanken nicht mehr distanzieren. Ein Sog entwickelt sich und der Mensch wird in seine Angst hineingezogen. Die Angst erreicht damit ihren Höhepunkt und der Mensch kippt vollends in die Panik.

Nachdem unser Körper nicht in der Lage ist, eine so extreme Anspannung längerfristig aufrecht zu halten, flacht sie langsam wieder ab. Erschöpft kommt der Mensch aus dem Feld der Angst wieder heraus. Doch die Erfahrung, dass er da wieder herauskommen kann, beruhigt ihn nicht. Er hat seine Kontrolle verloren und das macht ihm Angst.  So kann es sein, dass sich bereits nach einer solchen Erfahrung, die Angst vor einer nächsten Panikattacke aufbaut.

Kommt der Mensch aus dem Feld der Angst heraus, landet er wieder mehr in der gegenwärtigen Realität. Er kann sich wieder orientieren und Halt finden. Daher ist es Menschen im Nachhinein häufig selbst nicht verständlich, wie sie so in Panik geraten konnten.

Ich habe den Blog Erkenntnisse von der Couch eröffnet. Dort finden Sie weitere interessante Beiträge, wie beispielsweise Keine Horrorfilme bei Angst oder Ich und meine Angst.
©  Mag. Brigitte Fuchs